Digitale Transformation

Das Interface als Wettbewerbsvorteil

Heller Flur
Beitrag von Martin Kulik | Freitag, 17. Juli 2015
Kategorie: Digital Transformation

Vom notwendigen Übel zum Erfolgsfaktor

Atemberaubend. Nicht anders lässt sich die Entwicklung von Interfaces in den vergangenen zwanzig Jahren zusammenfassen. Noch atemberaubender dürfte allerdings die Entwicklung in der Zukunft sein. Das Interface – wie wir es kennen – wird nicht mehr existieren. Dies ist für etablierte Unternehmen eine Herausforderung.

In einem Artikel für Techchrunch aus diesem Frühjahr prägte Tom Goodwin, Senior VP Strategy & Innovation von Havas Media, einen inzwischen viel zitierten Imperativ: “The interface is where the profit is.”
Beispiele hierfür haben die meisten bereits vermutlich selbst genutzt: Airbnb, weltgrößter Zimmeranbieter, besitzt keine eigenen Hotelzimmer. Uber, weltgrößtes Taxiunternehmen, besitzt keine eigenen Autos. Facebook, weltgrößter Content Provider, generiert keine eigenen Inhalte. Stattdessen stellen Airbnb, Uber, Facebook und Co. die Schnittstelle zum Konsumenten bereit. Sie besitzen das Interface und eröffnen Nutzern auf diesem Wege den Zugang zu Services und Produkten Mit dieser Inbesitznahme einer der zentralen Stelle der Wertschöpfungskette stellen die digitalen Champions derzeit eine Branche nach der anderen vor Herausforderungen ungeahnter Dimension. Blickt man in die Zukunft der Interfaces, dürften diese kaum kleiner werden.

User Interfaces als entscheidender Wettbewerbsvorteil

Doch zunächst ein Blick zurück. Es ist erst rund zwanzig Jahre her, als die Schnittstelle der allermeisten Menschen zu ihrem Computer von unansehnlichen grauen Boxen, einem matschig dunkelgrünen Bildschirmhintergrund und zum Teil abenteuerlich-kafkaesken Dialogen geprägt wurde: Windows 95.

Im Jahr 2007 hat Apple mit dem iPhone den Grundstein für eine wahre Revolution der Interfaces gelegt. Design und die Nutzerfreundlichkeit von Oberflächen wurden mehr oder weniger über Nacht zum entscheidenden Merkmal. Es folgten fünf weitere Generationen des iPhones, das iPad und eine neue Gattung von kleinen, bunten, leicht zu bedienenden Programmen und Tools: Apps.

Inzwischen ist die Schnittstelle zwischen Konsument und Technologie zu einem Kriterium für den wirtschaftlichen Erfolg von Unternehmen aufgestiegen. Je besser das Interface, desto mehr Kundeninteraktion, desto größer der Erfolg – so lautet die bestechend einfache Formel. Und Apple wurde zur wertvollste Firma der Welt.

Der Wandel könnte radikaler nicht sein: Von einem notwendigen Übel (1995) ist das Interface zu dem entscheidenden Wettbewerbsvorteil der digitalen Transformation geworden.

Die Interaktion der Zukunft

Es verwundert daher nicht, dass alle großen Digitalkonzerne an der Zukunft des Interfaces arbeiten. Apple hat seine Ideen dazu – die Apple Watch, ein Update für Siri – bereits vorgestellt. Microsoft und Facebook setzen auf Virtual Reality. Die Visionen von Hololens haben dabei nichts mehr mit der alten Windows Anmutung gemein.

Auch Amazon versucht mit seinem Projekt „Echo“ das Interface neu zu interpretieren. Noch erscheint die Interaktion mittels Sprache – ähnlich wie bei Siri und Cortana – gewöhnungsbedürftig. Allerdings konnte man sich vor zehn Jahren ein Telefon mit nur einer Taste auch sehr schwer vorstellen.

Google geht mit seinen Visionen am weitesten. „Jacquard“ und „Soli“ zeigen, wie Interfaces mit der physischen Welt verschmolzen beziehungsweise – im wahrsten Sinne des Wortes – verwoben werden. Die schon jetzt beeindruckenden Ergebnisse lassen erahnen, welches Potential in diesen Technologien steckt, wenn sie Marktreife erlangen.

Die Entwicklungen im Bereich der Interfaces sind beeindruckend und rasant. Gleichzeitig ist das Rennen offen, die Standards noch nicht definiert und eine Präferenz der Konsumenten noch nicht absehbar. Nur eines steht jetzt schon fest: Unternehmen, die nicht schnell genug auf diese Entwicklungen reagieren und ihre eigenen Interfaces kontinuierlich weiter entwickeln, haben ein Problem – und mittelfristig kein Geschäftsmodell mehr.