Digitale Transformation

Wie Versicherungen ihre Zukunft verspielen

Heller Büroraum der UDG
Beitrag von Martin Kulik | Donnerstag, 7. Juli 2016
Kategorie: Digital Transformation

Steinzeit versus Mars

Die Finanzbranche steht derzeit unter gewaltigem Druck. Anhaltende Niedrigzinsen, immer striktere Regulierung und die digitale Transformation machen vielen Banken und Versicherungen das Leben schwer. Während Banken zunehmend mit FinTechs kooperieren und deren Services in die eigenen Geschäftsmodelle integrieren, drohen Versicherer von der digitalen Konkurrenz abgehängt zu werden.

Während es Banken in den vergangenen Jahren gelungen ist, zahlreiche Dienstleistungen im digitalen Raum zu etablieren, sucht man bei vielen Versicherungen entsprechende Angebote nach wie vor vergebens. Mark Wilson, Chef von Aviva, einem der Top-5-Versicherer weltweit, bringt es auf den Punkt: “I think insurance is in the Stone Age while other people are circling Mars.”

Angesichts der Raumfahrt-Projekte von Elon Musk und Jeff Bezos kann man dieses Zitat durchaus wörtlich nehmen. Übersetzt auf die Geschäftsmodelle der Versicherer bedeutet es: Die digitale Konkurrenz ist Lichtjahre voraus und der Abstand wird mit jedem Tag größer.

Verständliche Inhalte, responsive Design, Kundenbereich?

Schon die Basis einer modernen konsumentengerechten Ansprache, die Aufbereitung und Tonalität der Inhalte sowie eine Verfügbarkeit auf allen Endgeräten stellt die Assekuranz vor scheinbar unüberwindliche Hindernisse. Das sogenannte „Versicherungsdeutsch“ – eine verharmlosende Umschreibung für komplizierte, dem Laien kaum zugängliche, mit Fußnoten und Sternchen gespickte Texte – dominiert nach wie vor viele Portale. Moderne, interaktive Elemente wie Videos, Infografiken und abwechslungsreiche Content-Formate sucht man oftmals immer noch vergeblich.

Und falls ein Konsument auf die nahezu abwegige Idee kommt, die Website eines Versicherers mit dem Smartphone anzusteuern, wird er nur in einem von drei Fällen ein bedienbares Angebot vorfinden. Stand 2015 waren lediglich 30 Prozent der Portale mittels Responsive Design umgesetzt, so das erschreckende Ergebnis einer Studie der AMC.

Ebenfalls nur rund ein Drittel der Versicherer bieten einen Kundenbereich an, in dem zum Beispiel Verträge verwaltet, Angebote konfiguriert und abgestimmt sowie Daten unkompliziert geändert werden können. Während Online- und Mobile Banking mittlerweile Standard sind, scheinen vergleichbare Services für Versicherer immer noch einer Mission zum Mars zu gleichen.

Und jetzt?

Die Portale der Versicherer müssen für mobile Nutzungsszenarien optimiert werden. Eine überzeugende User Experience und eine sichere technische Basis bilden im Jahr 2016 elementare Grundlagen einer digitalen Erfahrung. Ein Kundenbereich zur Verwaltung der Verträge und sicheren Interaktion zählt ebenfalls zu den Must-haves.

Und auch für Versicherer gilt: Die Kommunikation muss an den Interessen der Kunden ausgerichtet werden. Da die wenigsten Menschen sich freiwillig mit Themen wie Hinterbliebenenversorgung, Arbeitskraftabsicherung und Todesfallschutz beschäftigen, gilt es Formate und Inhalte zu entwickeln, welche die Relevanz und Bedeutung dieser Themen alltagstauglich, verständlich und einfach erläutern. Und weil die Kundenreise in den seltensten Fällen auf dem Portal eines Anbieters startet, sollte dies auch in journalistischen Umfeldern und sozialen Medien erfolgen. Grundlage ist die Kenntnis und das Verständnis der Bedürfnisse der Konsumenten.

Sind die oben genannten Grundlagen geschaffen, müssen alltagsrelevante Services in die Produkte selbst integriert werden. Das ist die Königsdisziplin im Kampf um die Kunden der Zukunft. Und bis dahin ist es noch ein weiter Weg.