Digitale Transformation

Personae 2025

Laptop mit Notizheft und Wasserglas
Beitrag von Martin Kulik | Donnerstag, 19. Mai 2016
Kategorie: Digital Transformation

Wie die Kunden der Zukunft ticken

Während die Zielgruppe alle Personen umfasst, die für ein Unternehmen relevant sind, und Kundensegmente diese nach bestimmten Merkmalen gruppiert, sind Personae exemplarische Nutzer eines Produktes oder einer Dienstleistung. Personae beschreiben die typischen Kunden anhand repräsentativer Charaktere. Der Fokus liegt auf „weichen Faktoren“: den Verhaltensweisen, Bedürfnissen und emotionalen Triggern; Ziel ist die Illustration der Typen und ihrer Lebenswirklichkeit durch realistische Persönlichkeiten.

Personae sind Basis für kundenzentriertes Marketing, sie dienen der Gewinnung von Customer Insights, der Kreation von neuen Produkten und Services, der Optimierung der Usability digitaler Angebote und der Personalisierung von Dienstleistungen.

Personae stellen den Menschen in den Mittelpunkt jeglicher Aktivität. Sie

  • erleichtern das Einfühlen in die Kunden

  • ermöglichen das Identifizieren von Treibern und Hürden

  • bringen die Produkte und Services eines Unternehmen in Bezug zur realen Welt

  • helfen Firmen, für dezidierte Zielgruppen zu designen

  • fokussieren die Kreation neuer Produkte auf den Nutzer.

Zudem erleichtern diese Prototypen die interne Kommunikation, da

  • sie einer abstrakten Zielgruppe ein Gesicht geben

  • ihr Name als Platzhalter für einen dezidierten Typ steht

  • Diskussionen auf konkrete Bedürfnisse der Nutzer statt auf Vorlieben der Teilnehmer gelenkt werden.

Personae können in der gesamten Wertschöpfungskette verankert werden. Sie begleiten die Produkt- und Service-Entwicklung von Beginn an und dienen auch als Basis für die Weiterentwicklung des Geschäftsmodells. Kurzum: Sie sind unerlässlich bei der personalisierten Kommunikation und der Vertriebssteuerung.

Um Personae zu entwickeln, werden Zielgruppen segmentiert und beispielsweise Gruppen-und Einzel-Interviews durchgeführt. Die Erkenntnisse aus diesen Gesprächen dienen dazu, Muster zu erkennen und aus den Daten repräsentative Personae für die Gegenwart zu modellieren.

Um jedoch in die Zukunft zu schauen, müssen wir uns von den heutigen Konsumenten ein Stück weit lösen und über den Tellerrand hinaus blicken. Wir beschreiben zukünftige exemplarische Konsumenten als „Ikonen“. Sie zeigen mögliche Entwicklungen innerhalb der Segmente in einem Zeithorizont bis 2025 auf. Ikonen verkörpern grundlegende digitale Trends und sind der Fixstern bei der Entwicklung von Produkten und Services für die Zukunft. Sie machen kommende Zielgruppen, ihre Bedürfnisse und Wünsche erlebbar.

Doch wie leben wir in den kommenden Jahren? Diese drei Ikonen vermitteln einen Eindruck, welche Produkte und Service interessant werden könnten:

Katharina, 33 Jahre

Persönliches: 33 Jahre, verheiratet, lebt mit ihrem Mann in einer Doppelhaushälfte in einem Vorort, zwei Kinder (drei Jahre und ein Jahr alt). Sie hat Soziale Arbeit studiert und ist in Teilzeit bei einem Personalvermittler beschäftigt. Dabei ist sie an bestimmte Ziele gebunden, aber nicht an feste Arbeitszeiten. Ihre Anwesenheit im Büro ist nur einmal im Monat erforderlich, wenn sich das ganze Team zu einem Meeting trifft; die wöchentlichen Abstimmungen mit den direkten Kollegen finden online statt. Über ein virtuelles Whiteboard können gemeinsam Vorschläge erarbeitet und skizziert werden.

Leben & Einstellung: Trotz der guten Vereinbarkeit von Familie und Beruf sucht Katharina die Balance zwischen ihren Aufgaben als Mutter, Mitarbeiterin, Partnerin und versucht nebenbei, ihren Freundeskreis zu pflegen. Sie liebt ihren Garten und ist für alle Produkte und Services offen, die ihren Alltag erleichtern.

Sorgen und Ängste: Katharina blickt optimistisch in die Zukunft, möchte jedoch die Kinder abgesichert sehen, falls ihr Mann oder sie als Verdiener ausfallen.

Technikaffinität: Katharinas Arbeitgeber stellt ihr einen Laptop und ein Smartphone zur Verfügung. Diese Geräte nutzt sie auch privat.

Mediennutzung und Verhalten: Das Smartphone ist Katharinas ständiger Begleiter, mit ihm organisiert sie berufliche und private Termine. Kontakt zu Freunden hält sie – ganz altmodisch – via Messenger und verschickt Videos ihrer Kinder an Familienmitglieder.

Produkte und Services: Katharina nutzt digitale Services zur Erleichterung ihres Alltags, sie lässt sich zum Beispiel per App von der Krankenkasse an die Impftermine ihrer Kinder erinnern und mit ihrem Kalender und dem des Arztes koordinierte Termine vorschlagen. Ihre bevorzugte Modemarke kennt die aktuellen Größen der Kinder und informiert über passende Aktionen. Der Supermarkt mailt täglich Rezeptvorschläge und legt deren Zutaten automatisch in den virtuellen Einkaufskorb, den sie nur noch bestätigt und sich zwischen einer Lieferung ins Auto oder der Abholung im Markt entscheidet.

Niklas, 24 Jahre

Persönliches: 24 Jahre, Software-Ingenieur in einem Start-up, lebt in einem Apartment in der Großstadt, das er schon während des Informatik-Studiums bewohnt hat. Seine Wohnung ist ein „Smart Home“, Temperatur und Licht bestimmt er auf dem Nachhauseweg per App, damit die Stimmung zu seiner jeweiligen Verfassung passt.

Leben & Einstellung: Die Umstellung vom Studentenleben auf den ersten Job fällt Niklas nicht ganz leicht, er vermisst das Spontane. Die Zukunft beurteilt er positiv, denn er glaubt daran, dass Maschinen und künstliche Intelligenz das Leben verbessern werden.

Sorgen und Ängste: Niklas ist überzeugt von seinen Fähigkeiten, aber noch unsicher in Bezug auf seine Ziele im Leben.

Technikaffinität: Sehr hoch. Niklas weiß genau, welche Geräte neu auf dem Markt sind und beurteilt diese kritisch. Genügt ein Produkt seinen Ansprüchen, konfiguriert er es anschließend entsprechend seinen Wünschen.

Mediennutzung und Verhalten: Virtuelle Welten sind Niklas zweites Zuhause. Neben Laptop und Smartphone besitzt er eine Spielekonsole und die passende VR-Brille, ein Nachfolgemodell der Oculus Rift. Er kann ganze Nächte dabei verbringen, online gegen Gamer weltweit anzutreten und investiert auch in virtuelle Güter. Zur Kommunikation mit Freunden nutzt er verschlüsselte Chats.

Produkte und Services: Da Niklas beruflich viel unterwegs ist, hat er sein Türschloss mit einer Kamera aufgerüstet, damit er per Smartphone anderen Zugang gewähren kann. Videokameras zeichnen dann alle Bewegungen auf. Kommt er erst spät von einer Reise nach Hause, bestellt er vor dem Abflug sein Abendessen. Das stellt der Lieferdienst an der nächstgelegenen U-Bahn-Station in einer Warmhaltebox bereit, die er per Gesichtserkennung oder PIN öffnen kann. Games-Entwickler nutzen Niklas’ Expertise und laden ihn ein, neue Spiele entsprechend seinen Vorlieben vorab zu testen und sich so an deren Entwicklung zu beteiligen. Für seine Meinung wird er mit virtuellem Guthaben belohnt.

Hannah, 16 Jahre

 Persönliches: 16 Jahre, Schülerin, lebt mit ihren Eltern – einem Verwaltungsangestellten und einer Content-Managerin – und ihrer jüngeren Schwester in einer Kleinstadt. Ihr Taschengeld bessert sie mit virtueller Hausaufgabenhilfe und mit Mobile Games auf. Sie bringt ihre Avatare auf ein bestimmtes Niveau und verkauft die Zugänge anschließend an Klassenkameraden weiter.

Leben & Einstellung: Die Schule ist der Treffpunkt mit Freundinnen, der Unterricht spielt nur eine untergeordnete Rolle. Mode und Make-up sind wichtige Themen, Inspiration bieten Videos, die immer nur einen kurzen Blick auf die jeweiligen Styles erlauben. Sie verbringt mit Freundinnen viel Zeit in Einkaufszentren, weil diese kostenloses WLAN anbieten.

Sorgen und Ängste: Hannahs Sorgen drehen sich in erster Linie um ihr Aussehen, sie findet ihre Haare zu lockig und die Oberschenkel zu dünn. Über die Zukunft macht sie sich keine Gedanken, die den Zeitraum von zwei Monaten überschreiten.

Technikaffinität: Die Laufzeit des Akkus ist neben der Marke und der Auflösung der Videokamera das wichtigste Kriterium bei der Entscheidung für ein Smartphone. Hannah investiert einen Teil ihres Taschengelds in Zusatzfunktion für Erstellung von Videos.

Mediennutzung und Verhalten: Hannah nutzt weder TV noch PC, sondern nur ihr Smartphone – auch um Filme zu sehen. Ihr Leben ist ein Video, das sie Freunden schickt. Gefällt ihr ein Lied, nimmt sie sich mit Karaoke auf, verfremdet ihr Bild mit Effekten. Mit ihren Freundinnen kommuniziert sie in erster Linie über Video – auch wenn sie sich im gleichen Raum aufhalten.

Produkte und Services: Da Hannah oft nicht genug Geld (dabei) hat, leiht sie sich kleinere Beträge bei Freundinnen und zahlt sie per Peer-to-Peer-App (P2P) zurück. In dieser App verwaltet sie auch ihre anderen Ausgaben wie Smartphone-Kosten und speichert Online-Tickets für Kino sowie Guthaben für Downloads. Make-up testet sie virtuell, bevor sie in den Drogeriemarkt geht.

Belohnen und Binden

Die drei Beispiele zeigen: Digitale Services müssen das Leben erleichtern, um genutzt zu werden. Die Kombination mit der Anzeige freier Arzttermine macht die Erinnerung an Impftermine für Katharina so wertvoll, Hannah überweist mit der P2P-App nicht nur Geld, sondern verschafft sich einen Überblick über ihre Ausgaben, Niklas kann per App Dienstleistern Zutritt zu seiner Wohnung gewähren.

Zwingend notwendig für den Mehrwert ist jedoch die Interaktion von digitalen Produkten und Dienstleistungen. Dadurch entstehen neue Möglichkeiten – nicht nur in der Entwicklung von digitalen Services, sondern insbesondere durch deren Verknüpfung mit Angeboten der analogen Welt.