Performance

Ok Google!

Blau-weiße Tonwellen auf schwarzem Hintergrund.
Beitrag von Marcus Pentzek | Donnerstag, 18. Mai 2017
Kategorie: Performance

Wie Sprachassistenten die digitale Welt revolutionieren

Seit Beginn des neuen Millenniums haben Internet-Suchmaschinen die gedruckten Enzyklopädien Stück für Stück von ihrer Pole-Position der Wissensweitergabe verdrängt. Langsam legt sich der Staub jedoch auch fein auf Computer-Tastaturen und Smartphone-Displays, denn das geschriebene Wort hat Konkurrenz bekommen: den Sprachassistenten.

Bisher steckt die dazugehörige Technologie der Spracherkennung noch in den Kinderschuhen. In Zukunft wird sie uns jedoch eine ganz neue Welt der Möglichkeiten bieten. Im kleinen Rahmen hat sie bereits Einzug in unseren Alltag erhalten: Mithilfe von Sprachsteuerung aktivieren wir Apps, diktieren Nachrichten beim Autofahren oder nehmen Kalendereinträge vor. Im Bereich Suchmaschinenoptimierung eröffnet die Sprachsuche neue Perspektiven – insbesondere sollte die Art der Suchanfragen genauer unter die Lupe genommen werden.

Das steckt hinter der freundlichen Stimme

Spracherkennung für den Endverbraucher gibt es bereits seit Ende der 90er.Jahre – damals in Form einer Software mit Diktiergerät-Funktion. Seit 2011 ist die Sprachsteuerung auch auf dem Smartphone verfügbar. Zuerst brachte Apple Siri auf den Markt. Es folgten Konkurrenten wie Google Now oder Cortana von Microsoft. Meistens werden diese mit einem sogenannten Hotword wie „Ok Google“ oder „Siri“ gestartet.

Doch es gibt noch großes Entwicklungspotenzial auf diesem Gebiet. Ziel der Technologie ist es, natürliche Sprache zu erkennen und zu verarbeiten. Und obwohl die Spracherkennung bereits in der Lage ist, Wörter sogar semantisch einzuordnen, ist die Fehlerquote nicht von der Hand zu weisen. Beispielsweise stellen Dialekte und Neologismen die Entwickler aktuell noch vor Herausforderungen. Die Technologie wird jedoch stetig weiter perfektioniert.

Als Vorreiter muss man hier die chinesische Suchmaschine Baidu erwähnen. Diese hat eine Software zur Spracherkennung entwickelt, die das gesprochene Wort nahezu besser erkennt, als es der Mensch selbst kann. Vor allem in Bezug auf Chinesisch ist dies eine riesige Herausforderung, denn die Sprache hat zahlreiche Dialekte und nur wenige Silben, die die Zuordnung erleichtern könnten.

Nutzung von Sprachassistenten

Die Technologie der Sprachsteuerung ist sowohl für den Gebrauch in den eigenen vier Wänden als auch für unterwegs interessant. Die Suchanfragen via Desktop oder Mobile unterscheiden sich jedoch stark – vor allem in ihrer Zielsetzung. Am PC oder Tablet zuhause werden oft zahlreiche Seiten besucht, um eine detaillierte Information zu erhalten oder ausgiebige Vergleiche zwischen Produkten zu ziehen. Unterwegs haben andere Ziele größere Relevanz: Wegbeschreibungen zu einem Treffpunkt, Öffnungszeiten, Wettervorhersagen oder auch Wissensfragen. Die Anfragen und Ergebnisse sind meist situationsorientiert und lokal. Der User möchte möglichst schnell relevante Informationen erhalten. Neu hinzu kommen die digitalen Assistenten (zum Beispiel Amazon Echo oder Google Home), welche das Medium „Voice“ nicht mehr allein für die Suche instrumentalisieren, sondern auch zur Steuerung von Licht, Rolladen oder des Terminkalenders nutzen.
 
Das hat Folgen: Da das Smartphone mittlerweile zur Steuerung der digitalen Assistenten wie Google Now eingesetzt wird, die sich geräteübergreifend synchronisieren, muss die Interaktion mit dem Smartphone ab jetzt nicht mehr nur auf die aktuelle Situation bezogen sein (wie dies noch bis vor wenigen Monaten Usus war), sondern kann auch vorausplanend motiviert sein. Der digitale Assistent entscheidet jeweils, ob die neue Anfrage des Users eine Suchintention ist (dann wird eine klassische Suchmaschine wie Google oder Bing befragt) oder ob es sich um eine spezielle Anfrage handelt, die besser von einer der auf dem Gerät installierten Apps bedient werden kann.

Größere Marktanteile – Chancen für kleinere Suchmaschinen

Über 90 Prozent der Deutschen besuchen laut Statista bei der Internetnutzung die Seiten der Suchmaschinen – besonders beliebt: Marktführer Google. Auch unter den Sprachassistenten kann Google diese Position verteidigen und steht mit Google Now auf Platz 1 vor Apple Konkurrenten Siri. In den kommenden Monaten wird Google Assistant die alte App Google Now von Android-Geräten verdrängen und den Weg zu einem geräteübergreifenden Assistenten einschlagen.

Die Sprachassistenten sind im jeweiligen Smartphone bereits implementiert. Bei Apple-Produkten gibt Siri den Ton an und greift als Informationsquelle auf die Suchmaschine Bing zu. Auch Cortana von Microsoft nutzt Bing, um relevante Antworten zu finden. Google Now bezieht dagegen das Wissen über die Suchmaschine Google. Der neue Heimassistent Amazon Echo, welcher auf das Kommando „Alexa“ hört, bedient sich jedoch bei speziellen Suchanfragen bei Apps, welche mit der „normalen“ Suche von Google und Bing konkurrieren. So entwickelte Chefkoch.de für Echo eine App zur Rezeptsuche. Während des Kochens kann man sich von Alexa das Rezept Schritt für Schritt vorlesen lassen und hat so die Hände frei.

Doch welchen Einfluss hat die Sprachsuche auf die Suchmaschinenoptimierung?

Das Thema Suchmaschinenoptimierung gewinnt im Hinblick auf Sprachassistenten mehr und mehr an Relevanz. Suchanfragen via Stimme werden häufig von unterwegs über das Smartphone gestellt mit dem Ziel, situationsrelevante Informationen zu erhalten. Die Anfragen unterscheiden sich stark in ihrer Struktur von schriftlichen Suchanfragen. Während diese sich in der Regel auf ein oder mehrere einzelne Keywords beschränken, wie „Anfahrt Zoo Köln“, funktioniert die Suche mittels Sprache eher wie ein Gespräch. Die Anfragen sind sprachlich ausgefeilter und komplexer. Der Suchende stellt immer öfter eine W-Frage wie „Wie komme ich mit öffentlichen Verkehrsmitteln zum Kölner Zoo?“ oder formuliert sein Anliegen in einem ganzen Satz. Dieses Wissen kann wie folgt für die Optimierung der eigenen Webseite genutzt werden: Je exakter sich die Fragestellung des Suchenden auf einer Webseite wiederfindet, umso wahrscheinlicher ist es, dass die Suchmaschine die Seite als relevant erachtet und in den Suchergebnissen vorschlägt. Eine Optimierung im Hinblick auf Longtail-Keyword-Phrasen oder W-Fragen verspricht also Potenzial. Statt sich durch Keyword-Listen zu kämpfen, liefern W-Fragen- oder Google-Suggest-Tools mögliche interessante Fragestellungen.

Immer häufiger fällt bei der Suche nach konkreten Fragestellungen auf, dass Google noch vor den regulären Suchergebnissen eine sogenannte „Answerbox“ schaltet, welche die Frage unter Nennung der Quelle direkt in der Suchergebnisseite beantwortet. Ziel der Suchmaschinenoptimierung auf informationsorientierte Voicesearch-Anfragen muss es also sein, die eigene Website zur Quelle einer solchen Answerbox werden zu lassen. Denn die sprachinitiierte Suche verlangt immer mehr auch nach eine einzigen sprachlich ausgegebenen Antwort.

Auch technisch gesehen gibt es spezielle Optimierungsoptionen. Das Design einer Seite sollte responsive sein – sich also in Bezug auf die Größe automatisch an den jeweiligen Bildschirm anpassen. Alternativ erweist sich eine mobile Webseiten-Version als sinnvoll.

Content-Elemente wie Podcasts oder Audio Streams können sich positiv auf die Sichtbarkeit einer Seite auswirken. Sie werden zwar nicht unbedingt inhaltlich von der Suchmaschine ausgewertet, senden aber das Signal, dass hier relevante Audio-Inhalte für den User zur Verfügung stehen.

Doch sich auf SEO für Google zu verlassen, würde bedeuten, den Trend der digitalen Assistenten nicht zu verstehen. Chefkoch macht es vor und wird zur nativen Quelle für Kochrezepte des digitalen Assistenten Amazon Echo. Andere Apps wiederum werden Firmen die Möglichkeiten bieten, mit ihren Informationen zur Quelle zu werden. Dort werden verschiedene Informationsanbieter gegenseitig um die beste Antwort konkurrieren und SEO (= Suchmaschinenoptimierung für die jeweilige App/Suchmaschine) wird ein Thema.

Die Zukunft der Sprachassistenten – so könnte sie aussehen

Was uns vor ein paar Jahren noch als futuristisch erschien, ist in der heutigen Zeit bereits Realität: Brillengläser, die wir als Bildschirm nutzen können, persönliche digitale Assistenten, die für uns Bestellvorgänge ausführen sowie viele weitere Innovationen. Doch wie könnte die Spracherkennung sich in Zukunft entwickeln?

Eine Fragestellung ist, wie Suchergebnisse, zum Beispiel bei einer News-Suche, sinnvoll per Sprache dargestellt werden könnten. Die Vorstellung, dass zehn Suchergebnisse monoton vom Sprachassistenten vorgetragen werden, ist weder eine spannende, noch praktische Lösung.

Es ist denkbar, dass nur eine reduzierte Anzahl an Suchergebnissen ausgeliefert wird und die Informationen sich auf das Wesentliche beschränken. Wahrscheinlich geht die Suchmaschine auch auf Gewohnheiten ein und bietet die vom User meistbesuchten Seiten präferiert an. Werden Fakten oder Definitionen erfragt, kommen sicherlich der Knowledge Graph und Answerbox ins Spiel, in welchen Google die wichtigsten Infos sammelt und selbst gebündelt wiedergibt. Auch ist ein proaktives Anbieten von Suchergebnissen dank Spracherkennung denkbar – beispielsweise im Bereich Videochat. So könnte der Sprachassistent im Hintergrund aus Aussagen Stichworte aufschnappen und zu diesen Informationen sammeln und bereithalten. Erwähnt beispielsweise in einer Unterhaltung ein Restaurant, erhält der Nutzer dazu alle wichtigen Fakten wie Öffnungszeiten, Bewertungen oder die Speisekarte.

Spezielle Suchanfragen werden erst gar nicht an die klassische Suchmaschine geliefert, sondern von speziellen Apps (bei Amazon Echo auch „Skills“ genannt) beantwortet.

Die Herausforderung für den Suchmaschinenoptimierer ist es nun, alle für das eigene Business relevanten Suchanfragen zu identifizieren und ihrer Intention nach zu klassifizieren. Welche Suchanfrage wird am besten von der klassischen Suchmaschine beantwortet und auf welche Art der Suchanfragen reagiert welche Spezialapp, auf die digitale Assistenten zugreifen können? Wie beliefere ich diese Spezialapps mit Informationen meines Unternehmens? Gibt es vielleicht noch Suchanfragen, die nicht gut von Google, Bing und Co beantwortet können (weil sie nur zehn klassische Suchergebnisse zurückspielen), auf die aber auch Alexa und Google Home noch keine Antwort haben? In solchen Fällen bietet es sich an, diese Lücke mit eine eigenen App zu schließen und diese entsprechend als sinnvolle Skill der digitalen Assistenten zu promoten.

Smart-Home-Technologien: Das intelligente Zuhause = der Butler der Zukunft?

Digitale Assistenten wie Amazon Echo oder Google Home haben das Potenzial, der neue beste Freund des Menschen zu werden. Sie stehen im eigenen Wohnzimmer und reagieren auf gesprochene Anweisungen. Beispielsweise spielen sie auf Wunsch den Lieblingssong, lesen das neueste Hörbuch vor oder bestellen das Abendessen. Außerdem sind sie in der Lage, die Lichtschalter oder andere gekoppelte Geräte zu bedienen.

Werden sich diese auch in Deutschland durchsetzen? Die Problematik hierzulande ist das Misstrauen der Nutzer und daraus resultierende strikte Datenschutzgesetze. Die Menschen fühlen sich bei dem Gedanken unwohl, dass ein Gerät ihnen permanent zuhört und eventuell sogar das Gesprochene mitschneidet und auswertet. Vielleicht könnte sich das subjektive Vertrauen in die Technologie verbessern, indem die Assistenten als Projektion auf der Wand oder Scheibe erschienen – sozusagen ein Gesicht bekämen.

Digitale Assistenten machen uns das Leben bereits komfortabler und es gibt viele denkbare Szenarien, wie sie dies in Zukunft verstärkt tun könnten: Vielleicht öffnen sie irgendwann einem Besuch bereits die Tür, bevor man selbst zuhause bin, indem dieser sich via Stimme, Gesichtserkennung oder Handynummer identifiziert. Denkbar ist auch, dass die Assistenten eine Stimmung selbstständig erkennen, indem sie Mimik, Gestik oder Stimme im Hinblick auf gewisse Merkmale interpretieren. Dann könnten sie sich dieser anpassen und dementsprechend auf den Bedürfnissen und Wünschen reagieren.